innez hat geschrieben:
FMMT hat geschrieben:
Doppelpost:
Herzblatt feiert heute Silberhochzeit und scheint es (warum auch immer

)doch noch nicht bereut zu haben.

Und was feierst du?

*duckundwech*
Herzblatt natürlich
Doppelpost:
Traum, Euphorie, Blut..Karwendelmarsch/lauf 2016
Nicht nur ich finde es faszinierend eine Strecke, länger als man sich es eigentlich vorstellen mag, aus eigener Kraft zu bewältigen. Gepflanzt wurde der Gedanke über mehrere berufliche sowie private Umwege, doch das Ziel stand fest: der Karwendelmarsch/Lauf über 52 Km sowie rund 2300 Höhenmeter rauf und runter quer durch das Karwendelgebirge von Scharnitz nach Pertisau.
Herzblatt startet mit einer befreundeten Wandergruppe, mich schickt sie aber vorneweg, da es klar ist, dass, falls wir zusammenbleiben sollten, es für mich schwer werden würde im Finale bergab dran zu bleiben

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Ich ordne mich also gehorsam direkt hinter die ca. 1000 Läufer am vorderen Ende der folgenden 1500 Marschierer ein, weil ich zumindest die ersten noch relativ flachen Kilometer traben möchte.
Um 6 Uhr ertönt der Startschuss, die Masse bewegt sich in leichter Dunkelheit. Das Überholen ist nicht einfach, auch vorne sind Indianer mit Speeren als Stöcke getarnten Waffen unterwegs und stechen unablässig neben sich auf alles was ihnen in den Weg kommt

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Nach einem ersten unverletzten Anstieg wird es langsam besser, immer mehr verfallen wie ich trotz Läuferrucksack und bei mir noch ungeladenen, weil festgeschnallten, Stecken in einen Trabschritt. Das Wetter verführt zum Träumen, keine Wolke, Sonne satt, das Bergpanorama ist gigantisch

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Ich überhole immer wieder, gerate ins Schwärmen, denke an Judith, dass ihr es bestimmt auch super gefallen hätte.
Ein ganz besonderes Gefühl der Freiheit und des "Ich kann es noch", "Ich darf es noch" Nach 10 Km habe ich knapp einen 7min/Km Schnitt als Zeitbonus für die späteren steilen Stücke.
Bei Km 13 denke ich, zum Glück bin ich nicht abergläubig, hole meine Stecken raus und trabe mit ihnen in der Hand erstmals weiter.
Auf einmal war es aus

. Ich bekam es es gar nicht mit, wie es passierte, aber plötzlich fiel ich nach vorne auf starkem Schotterboden,schlittere noch kurz auf dem Bauch weiter und bleibe dann benommen liegen.
Langsam rappele ich mich hoch. Jemand reicht mir meine Stecken, frägt, wie es mir geht. Ich sehe verboten aus, meine ehemals weiße Windjacke völlig eingesaut mit Staub und Blut. Meine Hände und Knie bremsten wohl am meisten, Ellenbogen, Hüfte und Arme den Rest

. Zum Glück blieben die wichtigsten Regionen(Kopf

)unversehrt. Gebrochen habe ich mir nichts, die Knie wohl etwas verprellt.
Das ist eine deutliche Lehre. Genieße dein Glück, es kann so schnell vorbei sein

.
Zum Glück hatte ich mir entgegen meiner Gewohnheit ein Pflasterband mit genommen. Ungeschickt zerreiße ich es ich in mehre Streifen, klebe es auf die schlimmsten Wunden, ob ich dabei offene Stellen zuklebe, ist mir erstmal egal.
Ende der Euphorie

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Ich rapple mich auf, schlurfe langsam weiter. Das linke Knie muckt etwas, ist aber auszuhalten.
Jetzt gehe ich nur noch mit den Stecken, so kann ich mich notfalls auf ihnen abstützen.
Manche sprechen mich an, ob es schlimm sei. Ich antworte: Mein Stolz ist verletzt, Rest passt schon

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Jetzt wird es steil, ich setze das freigewordene Adrenalin in Vortrieb um

. Keuchen, Keuchen, Schieben, es pendelt sich bei 10-11min/Km ein.
In mir erwacht der Trotz. Ich akzeptiere die Lektion, doch sie darf keine Ausrede sein, das Streben aufzugeben

.Wenn das Laufen heute nicht mehr passt, flottes Gehen ist immer noch drin, meine Zeit ist im Rahmen.
Es wird wärmer, ich trinke viel, wässere meine Idenixx-Mütze mit eiskalten Brunnenwasser, das hilft mir über die glühenden Hügel. Nach rund 4,5 Stunden und zwei herben Anstiegen erreiche ich die Falkenhütte, ab jetzt wird es für mich persönlich kritisch.
Auf rutschendem Schotter kann ich schon lange nicht mehr, unsicher wackele ich bergab, während andere locker flockig an mir vorbeirennen. Je steiler der Weg hinab führt, desto mehr werden es.
Es ist schon frustrierend, wenn man so häufig überholt wird

. Da der Weg jetzt sehr schmal und eng ist, lasse ich die Jugend immer wieder vorbei, indem ich kurz zur Seite trete. Ich bin erstaunt, wie viele richtig sportliche Jungs und Mädels, viele braungebraunt und sehr fit aussehend von Hinten kommen.
Da sage ich mir, ganz so langsam kann ich bergauf wohl nicht gewesen sein
Trotz meiner ganzen Vorsicht bin ich immer wieder knapp vor dem Hinfallen oder Umknicken, aber meine Stecken retten mich. Die Lust verglüht allerdings in dem selben Maße wie sich jetzt in den heißdampfenden Socken mehr und mehr Blasen melden

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Nach rund 6 Stunden und 35 Km erreiche ich das Zwischenziel in der Eng. Hier dürfte man planmäßig aufhören. Schnell passiere ich die Stadion, damit ich nicht auf dumme oder doch richtige(?) Gedanken komme und gehe weiter

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Unser guter Bekannte, der heute zum fünften Mal den Marsch mitmacht, warnte vor diesem Anstieg, knapp 800 Höhenmeter auf 5 Km. "Schaut auf keinen Fall nach oben, nehmt Euch nur Kurve auf Kurve vor und fangt an zu zählen".
Ich denke mir, bergauf schreckt mich doch nicht, sehe hinauf und erblasse. "Ach, du grüne Neune" entfleucht mir

. Der Leidensgenosse, den ich gerade überholte, stimmt mir zu.
Ich fühle mich kreislauf- und kräftemässig fit, doch irgendwann mag ich auch nicht mehr. Ich hoffe auf die Scharte, denke an Herzblatt, die hier auch noch hoch muss.
"Es geht nur noch bergab" ruft uns oben die Bergwacht zu.
Ich verkneife mir ein"das ist eigentlich ja noch schlimmer" .
Die ersten 200Hm bergab läuft es sich ohne Schotter noch ganz gut, dann wird es herb.
Steil, rutschig, meine Hände hat es neben den geprellten Knie am Ärgsten erwischt. Die Pflaster lösen sich, ausgerechnet mit ihnen muss ich ja schon die ganze Zeit meine Gehhilfen festklammern.
Die Minuten steigen auf 18-25 pro km

. Ich versuche es mit Humor, scherze mit Entgegenkommenden, freue mich, als sich andere bedanken, wenn ich sie vorbeilasse, denke wie in Roth, besser gesagt, ich denke gar nichts mehr , schalte ab, konzentiere mich auf den nächsten Schritt, jeden Höhenmeter bergab, weiter, immer weiter.
Ein wackliges Holzbrett über einen Bach nehme ich mit Anlauf, schwanke rüber, die Hoffnung steigt.
Irgendwann ist der heikelste Abstieg geschafft. Jetzt sind es "nur" noch 9 Kilometer auf vermutlich breiten, leicht fallenden Wegen, Autobahn.
Ja, hätte, hätte Fahrradkette, Körper will nicht mehr. Ich blicke irgendwann auf die Uhr, rechne hoch. Mein Traumziel SUB 10 ist sogar noch machbar. Ich trabe jetzt mit schwingenden Stöcken, gehe zwischendurch, reiße andere mit, wie ich mich auch mitreißen lasse.
Viele sehe ich an diesem Tag öfters. Den braungebrannten Älteren mit Kompressionssocken, das weißgekleidete Pärchen, die Ultramädels vom Rennsteig und viele mehr.
Außer den Schmerzen fühle ich mich gut, die Zuversicht wächst mit der Nähe des Ziels

.
Schmerzfrei geht bei mir wohl nicht mehr. Egal, aber es geht noch
Das zählt. Der Kampfgeist erwacht. Ich nehme mir Zwischenziele, einen Kilometer laufen dann bleibe ich unter 9.40. Ich steigere mich in einen kleinen Rausch, die Euphorie kehrt zurück

. Ich überhole, sammle ein, laufe urplötzlich unter 7, fast 6er Abschnitte, erreiche Pertisau, überquere Straßen, Autos warten, Passanten jubeln, ich fliege(innerlich) ins Ziel, hochzufriedene 9.27 Std.

(Platz 307 bei den Marschierern).
Auch Herzblatt finisht erfolgreich

. Meine Knie sind zwar nach der langen Busfahrt vollens steif und ich holpere seitdem wie ein uralter Mann(also noch älter als ich es eh schon bin

), das Schreiben mit den jetzt ordentlich verbundenen Händen fällt auch nicht ganz so leicht, aber egal, wir haben es wieder einmal geschafft, gemeinsam

.