heute 21:15 auf 3sat
Sonntag, den 04.11.2007
21:15 Uhr
Dolby
Bildformat 16:9
Dokumentarfilmzeit: Duisburger Filmwoche
Unser täglich Brot
Dokumentarfilm von Nikolaus Geyrhalter, Österreich 2005
Länge: 90 Minuten
Erstausstrahlung
Brot ist seit Jahrtausenden Sinnbild von Nahrung, von körperlicher und seelischer Kraft. "Unser täglich Brot gib uns heute", heißt es in einem Gebet nach Matthäus 6.11, das Millionen Christen beten. In "Unser täglich Brot" lässt Regisseur Nikolaus Geyrhalter ("Das Jahr nach Dayton", "Pripyat", "Elsewhere") den Zuschauer Zeuge einer ganz eigenen, anderen Schöpfungsgeschichte werden: "Die Lebensmittelproduktion ist ein geschlossenes System, von dem man ganz unklare Vorstellungen hat. Die Bilder der Werbung, in denen Butter gerührt wird und ein kleiner Bauernhof mit verschiedenen Tieren gezeigt wird, haben nichts mehr damit zu tun, wo unser Essen tatsächlich herkommt. Es herrscht eine Entfremdung in Bezug auf die Entstehung unserer Nahrung und auf diese Arbeitswelten, die es lohnt, aufzubrechen."
Zum Rhythmus von Fließbändern und riesigen Maschinen gibt der Film kommentarlos Einsicht in die Orte, an denen Nahrungsmittel in Europa produziert werden: Monumentale Räume, surreale Landschaften und bizarre Klänge - eine kühle industrielle Umgebung, die wenig Raum für Individualität lässt. Menschen, Tiere, Pflanzen und Maschinen erfüllen die Funktion, die ihnen die Logistik dieses Systems zuschreibt. In geschlossenen Räumen, aseptisch wie eine Prozessoren-Fabrik, schlüpfen Küken, computerüberwacht. Ein riesiger Schlauch saugt Lachse aus einem Fjord. Metallene Zähne fressen sich durch chemisch termingerecht zum Verblühen gebrachte Sonnenblumenfelder. Im Sekundentakt und vollautomatisch werden Hühner zerteilt, Schweine von ihren Gedärmen befreit, nur für Rinder braucht sie etwas länger: die industrielle Nahrungsmittelerzeugung und High-Tech-Landwirtschaft. Für Menschen ist in diesen futuristisch anmutenden Räumen wenig Platz, sie wirken wie Fehler in diesem System, falsch dimensioniert, klein, verletzlich, auch wenn sie sich bestmöglich anpassen: hygienische Kleidung, Kopfhörer, Schutzhelme. Man findet sie an den Stellen im Produktionsablauf, für die noch nicht die richtigen Maschinen erfunden wurden. Genau geplante Kameraeinstellungen reflektierendie Effizienz des Systems, machen sie deutlich, stellen sie aus, nähern sich ihr mit einer Mischung aus Faszination und Schaudern. Der Film zeigt die industrielle Nahrungsmittelproduktion als Spiegelbild unseres gesellschaftlichen Wertekanons: viel, einfach, schnell. Kommentarlos und ohne erklärende Interviews entfaltet er sich auf der Leinwand wie ein irritierender Traum - ein insistierender Blick, begleitet vom Flirren, Rattern, Schlagen, Schlürfen, hydraulischen Atmen der Maschinen. "Unser täglich Brot" ist eine Einladung an unsere Neugierde, den Dingen auf den Grund zu gehen; zum Schauen, Hören und Staunen, zum Assoziieren und Nachdenken über den gegenwärtigen Stand unserer Zivilisation. Nikolaus Geyrhalters Film wurde für den Europäischen Filmpreis 2006 nominiert und erhielt unter anderem auf den Dokumentarfilm-Festivals von Amsterdam, Nyon, Montréal, Athen, Sofia und Mexiko Preise.
Zuletzt geändert von vb_man am 04 Nov 2007 18:05, insgesamt 1-mal geändert.
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