Klugschnacker hat geschrieben:
Matthias hat geschrieben:
Spannende Geschichte, auf die die Physik wohl noch keine Antwort hat, möglicherweise prinzipiell nicht:
- Woher kommt das menschliche Zeitempfinden?
- Warum hat Zeit eine Richtung?
Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik. Dadurch sind viele physikalische, vor allem aber auch biologische Prozesse irreversibel. Sie funktionieren nur in die eine Richtung.
Bei den meisten elementaren Prozessen kann man die Zeit "umdrehen", und der Prozess ist physikalisch genau so möglich. Einfachstes Beispiel: Absorption und stimulierte Emission von Licht sind komplementäre Vorgänge: Der eine entspricht dem anderen, nur die Zeitrichtung ist entgegengesetzt. Beide haben exakt die gleiche Wahrscheinlichkeit.
Allerdings gibt es Ausnahmen: Vorgänge, bei denen die elektroschwache Kraft eine Rolle spielt (z.B. beta-Zerfälle), sind in der Zeit nicht symmetrisch.
Entropie kommt erst bei Vorgängen mit vielen Teilchen ins Spiel. Allerdings summieren wir in unserer "makroskopischen" Weltsicht viele verschiedene Mikrozustände als den gleichen Zustand. Beispiel: Ein Glas fällt auf den Boden und zerbricht. Wenn wir ein zweites Glas auf den Boden werfen, zerbricht es natürlich auch. Dagegen werden wir niemals erleben, dass die Splitter in die Luft springen und sich wieder zum Glas zusammensetzen. Tatsächlich werden wir aber auch niemals erleben, dass die Splitter des zweiten Glases auf dem Boden exakt das gleiche Muster bilden wie die des ersten Glases. Trotzdem sind für uns die Endzustände der beiden Gläser "gleich", nämlich "Glas kaputt".
Manche Kosmologen nehmen an, dass die Zunahme der Entropie an die Ausdehnung des Universums gekoppelt ist. Wenn das Universum schrumpfen würde (was nach derzeitigem Kenntnisstand nie der Fall sein wird), würde die Entropie möglicherweise abnehmen und Vorgänge, die jetzt extrem unwahrscheinlich sind (Splitter setzen sich zum Glas zusammen), wären ganz normal.
Klugschnacker hat geschrieben:
Matthias hat geschrieben:
- Warum erinnern wir uns an die Vergangenheit, aber nicht an die Zukunft?
Wegen des Kausalitätsprinzips, das ebenfalls auf dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik beruht. Die Zukunft kann nicht kausal auf die Gegenwart wirken. Deshalb kann sie im Gehirn auch keine Muster erzeugen, die so etwas wie eine "Erinnerung" wären.
Bei Kenntnis des jetzigen Zustandes (Orte und Impulse aller beteiligten Teilchen) können wir die künftigen und auch die vorherigen Zustände mit gewissen Wahrscheinlichkeiten berechnen - also in beide Richtungen der Zeit. So wie aus dem jetzigen Zustand verschiedene künftige Zustände hervorgehen können, können verschiedene vergangene Zustände zum jetzigen Zustand geführt haben. Eine zeitlich gerichtete Kausalität gibt es bei elementaren Prozessen gar nicht.
Unsere Erinnerung basiert darauf, dass wir aus dem jetzigen Zustand unseres Gehirns eine mögliche Vergangenheit konstruieren. Warum gelingt uns das nicht in gleicher Weise mit der Zukunft?
Klugschnacker hat geschrieben:
Matthias hat geschrieben:
- Entspringt unser Bewusstsein aus dem (scheinbaren) Fluss der Zeit?
Warum? Wie kommst Du auf den Gedanken? Ich sehe da keinen ursächlichen Zusammenhang.
Das Bewusstsein ist kein kontinuierliches Phänomen, sondern das Gehirn konstruiert in jedem Moment das Bewusstsein neu. Der, der du vor einer Sekunde warst, existiert nun nicht mehr, und der, der du jetzt bist, war vor einer Sekunde noch nicht vorhanden.
Warst du mal betrunken und hattest einen "Filmriss"? Damit meine ich nicht einen Gedächtnisverlust, sondern dieses plötzlich auftretende Gefühl, nicht zu wissen, wie man an diesen Ort oder in diese Situation gekommen ist, obwohl man sich sehr wohl an die unmittelbare Vergangenheit erinnert - aber halt so, als hätte man sie nicht persönlich erlebt, sondern in einem Film gesehen. Das kann auch bei großer Müdigkeit passieren. Da spürt man, dass das Bewusstsein in Wirklichkeit diskontinuierlich ist und sich gerade neu erschaffen hat.