maultäschle hat geschrieben:
Aber kann man das so genau berechnen?
Ist das nicht eher eine Gleichung mit vielen Unbekannten und abgeschätzten Werten? Wenn ich mir überlege, mit welchen Zahlen man da rumjongliert und wie viel davon vermutlich Mutmaßung und "Glaube" ist, dann kann man sich doch auch locker mal um die eine oder andere Kommastelle vertun, oder?
Sicher, es werden einige Annahmen und Abschätzungen gemacht. Sie beziehen sich auf das beobachtbare Universum, das nicht mit dem gesamten Universum identisch ist (Ereignishorizont). Die Annahmen und Abschätzungen dürfen aber nicht in Konflikt stehen mit anderen bereits gewonnenen Erkenntnissen. Man kann also nicht frei irgend etwas raten.
Ich mache mal für die mitlesenden Nichtphysiker ein kurzes Beispiel, wie so etwas abläuft. Nehmen wir den Urknall. Niemand war dabei, also geht es bei der Erforschung der damals herrschenden Verhältnisse vor allem um Berechnungen. Zum Beispiel, wie heiß es damals war, wie schnell das frühe Universum sich ausdehnte, wie es sich dabei abkühlte und was das für die enthaltene Materie, die sich erst bildete, bedeutete.
Die Rechnungen führten zu Theorien und Szenarien, die man zusammengefasst als Standardmodell bezeichnen kann. Dieses Modell sagte aus, dass für einige Zeit das Wasserstoffgas (Wasserstoff war damals die einzige existierende Atomsorte) in einen Zustand geraten sein muss, in dem es zu Helium verschmolz. Krasserweise dauerte diese Phase nur 3 Minuten, wenn man dem Standardmodell glaubt. Danach soll das Universum zu kühl gewesen sein, die Reaktion erfror.
Man kann nun ausrechnen, wie viel des vorhandenen Wasserstoffs sich in den drei Minuten in Helium umgewandelt haben muss, außerdem müssen sich genau definierte Spuren an Lithium und Deuterium gebildet haben. Das entscheidende ist, dass das Standardmodell hier klare Aussagen über die Mengen der genannten Substanzen macht.
Unsere Teleskope finden im uns zugänglichen Universum exakt diese Mengenverteilungen an Wasserstoff, Helium, Deuterium und Lithium. Auf diese Weise bestätigt sich ein Modell, dass zunächst nur eine Spekulation war und ein Rechenexempel, durch die Tatsache einer Beobachtung. (Das Ganze ist natürlich eine vereinfachte Darstellung, Stichwort "Primordiale Nukleosynthese").
Kurz: Physiker denken sich nicht einfach nur irgend etwas aus, sondern konfrontieren sich in einem selbstkritischen Prozess stets mit der Wirklichkeit.
Grüßle,
Arne