Nach einem ersten Steilstück folgt eine längere wellige Passage mit einem Zwischenanstieg bevor es auf schmalen, rutschigen Wegen bergab geht.
Mein Laufhemd ist schon seit Stunden klatschnass, aber nur von innen. Von außen bin ich weiterhin gut geschützt.
Ich fühle mich mittlerweile als Traktor

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Ich komme zwar ständig voran, aber halt nur entsprechend vorsichtig und ich muss immer wieder, Rücksicht nehmend, an geeigneten Stellen zur Seite ausweichen, wenn Schnellere von hinten kommen.
Trotzdem habe ich heute nicht die frühere Unsicherheit oder Frustration. Ich akzeptiere meine Einschränkungen, denke mir das Ganze sogar bewusst positiv. "Ich habe MS, bin fast 60 und darf trotzdem an so einem Event teilnehmen. Was für ein Geschenk

".
Es zieht sich ewig, die Muskeln werden fest, die gestoßenen Zehen schmerzen. Später überhole ich eine am Knie bandagierte Läuferin mit Begleitung. Die Sturzgefahr ist leider für alle nicht zu unterschätzen.
Nach 7 Stunden bin ich in der Eng, eine Stunde vor dem Zeitlimit.
Ich esse einen Riegel und trabe weiter. Die doofsten Stellen liegen hinter mir. Dachte ich zumindest
Die jetzt folgenden 700 Höhenmeter am Stück sind anfangs auf breiten Wegen leicht zu bewältigen. Ich überhole sogar, trotz Puls im GA1.
Bald wird es aber richtig herb. Der, nun, sehr schmale Pfad in der Wand ist völlig verschlammt und von überall kommen kleine Sturzbächchen.
Ich muss sehr aufpassen, nicht auszurutschen, kann aber sowohl meinen Puls als auch meine vorsichtigen Tritte gut kontrollieren. Die Luft ist herrlich frisch. Keine Not, mich wie 2024, mit, zu kippen drohendem Kreislauf, an die Wand zu lehnen.
Irgendwann ist die Scharte auf fast 2.000 HM erreicht. Sehr schlammig und rutschig holpere ich runter zur nächsten Alm. Mit Warnchildern wegen der extremen Steilheit geht es auf Schotterwegen weiter.
Ich denke an mein Versprechen an Herzblatt und Freudin, dass ich nichts unnötig riskieren werde. Schon in meinen Schachzeiten lernte ich, bis zum Ende hoch konzentriert zu bleiben. Ein noch so kleiner Fehler kann den Ausgang kippen.
Auch heute musste ich miterleben, wie an einer technisch relativ einfachen Stelle ein Sportler stolperte, fiel und sich den Kopf blutig stoß. Zum Glück waren Hilfe und Bergwacht schnell zur Stelle.
Entsprechend vorsichtig gehe ich bergab. Es dauert, aber die schwierigen Stellen sind bei KM 43 überwunden. Noch 9 km auf breiten, leichten Wegen, meine gefühlte "Autobahn".
Ich blicke auf die Uhr, rechne hoch. Unter 11 Stunden machbar, bei einem 6 min/km Schnitt sogar ein Bereich von 10.34 Std.
Ich laufe, vergesse die Steinchen im Schuh, die schmerzenden Muskeln.
Meine Schwäche wird meine Stärke. So lahm ich bergab war, so schonte ich halt auch meinen Pulsbreich
Mit kräftigem Doppelstockhub beschleunige ich erst auf einen 6-er Schnitt, überhole wieder viele, genieße einen gewissen Flow, beschleunige immer mehr, bekomme klasse Applaus und motivierende Anfeuerung, Endspurt, Stadioneinlauf, geschafft
Ich packe tatsächlich noch die 10.30 Std, um 4 Sekunden erreicht.
Mission complete.
Auch Herzblatt und Freundin finishen souverän

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